Energiearmut ist in ganz Europa ein weit verbreitetes Problem: Viele Haushalte geben einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens für Energierechnungen aus und haben gleichzeitig Schwierigkeiten, ihren Energiebedarf zu decken. Sie müssen sich entscheiden zwischen Energieeinsparungen, die ihren Wärme- und Gesamtkomfort verringern, und der Bezahlung ihrer Rechnungen auf Kosten anderer wichtiger Ausgaben für Lebensmittel oder Gesundheitsfürsorge. Es gibt keine gemeinsame europäische Definition von Energiearmut, doch die meisten Mitgliedstaaten erkennen das Ausmaß dieser sozioökonomischen Situation und ihre negativen Auswirkungen an. Diese reichen von schwerwiegenden Gesundheitsproblemen über soziale Isolation bis hin zu Umweltbelastungen durch die Verwendung minderwertiger Brennstoffe und erhebliche Emissionen von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen aus schlecht beheizten Haushalten.[1]

Energiearmut betrifft sowohl Wärme als auch Elektrizität. Sie steht in direktem Zusammenhang mit dem Energieverbrauch (Höhe und Art der Energie), der Erzeugung (Art der verwendeten Energiequelle) und der Verteilung. Die Unfähigkeit, den Energiegrundbedarf zu decken, ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, darunter die unzureichende Entwicklung der Energieinfrastruktur, die Merkmale der Wohninfrastruktur (z.B. mangelnde Wärmedämmung, alte und ineffiziente Geräte) und ein geringes Energiebewusstsein.[2]

Energiearmut in den Projektländern

Deutschland

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Definition von Energiearmut, und sie wird in den offiziellen Statistiken nicht erfasst. Allerdings hat die Armut im Allgemeinen in den letzten Jahren zugenommen. Im Jahr 2017 waren rund 19,7 Prozent der Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen (Statistisches Bundesamt, 2019). Studien schätzen, dass je nach Messmethode zwischen 5 - 23 Prozent der deutschen Bevölkerung von Energiearmut betroffen sind (Heindl 2013; Schaffrin & Schmidt-Catran 2017). Der starke Anstieg der Strompreise zwischen 2010 und 2018 hat viele einkommensschwache Haushalte betroffen, was auch zu einer öffentlichen Debatte über mögliche soziale Nachteile der Energiewende geführt hat. Steigende Preise für Strom, Heizung und Wohnen - insbesondere in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte - verschärfen die angespannte Situation einkommensschwacher Haushalte zusätzlich. Im Jahr 2017 wurde mehr als 340.000 Stromkunden der Strom abgeschaltet, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlt haben. Im Jahr 2019 zahlten deutsche Haushalte von allen in Europa die höchsten Strompreise. Um die Klimaziele zu erreichen, sind Anstrengungen zur Verabschiedung und Umsetzung einer sozialbewussten oder kompatiblen Energiepolitik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene dringend erforderlich.

Ungarn

Ungarn hat eine der höchsten Energiearmutquoten in der EU. Ein durchschnittlicher ungarischer Haushalt gibt etwa 14-18% seines Gesamteinkommens für energiebezogene Ausgaben aus. Die am stärksten betroffenen Regionen sind ländliche Gebiete in den nordöstlichen und südwestlichen Teilen des Landes.

Nach den Forschungsergebnissen von Energiaklub sind 21% der Haushalte von Energiearmut bedroht, das sind landesweit rund 800.000 Wohnungen. Im Allgemeinen leben Familien, die man als energiearme Haushalte bezeichnen kann, in Einfamilienhäusern auf dem Land. Diese Häuser haben eine relativ große beheizte Bodenfläche, die Gebäudehülle ist jedoch ineffizient, die Heizgeräte sind meist veraltet.

Brennholz ist eine der häufigsten Brennstoffarten für Haushalte, die unter Energiearmut leiden. In den letzten Jahren ist der Preis für Brennholz jedoch in die Höhe geschossen. Diese Tendenz zwang einkommensschwache Haushalte dazu, ihren Wärmebedarf mit Abfall und Braunkohle zu decken. Diese Arten von Brennstoffsubstituten verursachen im Winter eine starke Luftverschmutzung und auf lange Sicht verschiedene Gesundheitsprobleme.

Rechtliche Hindernisse und der Mangel an guten Praktiken stellen eine bedeutende Hürde für die Linderung der Energiearmut in Ungarn dar. Seit Jahren gibt es keine nennenswerte Unterstützung für die Renovierung von Haushalten, weder auf nationaler noch auf lokaler Ebene. Darüber hinaus blockieren auch die mangelnden Kapazitäten und Ressourcen der Kommunen die Lösung dieses Problems. Deshalb ist es unumgänglich, jetzt zu handeln und die Interessenvertreter der Kommunen zu befähigen, über das EnPover-Projekt kostengünstige Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen.

Polen

Das Problem der Energiearmut betrifft ca. 12% der polnischen Bevölkerung und steht in keinem Verhältnis zum Ausmaß der Einkommensarmut - fast 6% der Polen sind energiearm, aber nicht einkommensschwach. Die Gruppen, die am meisten unter Energiearmut leiden, sind die Menschen, die auf dem Land und in kleinen Städten leben, junge Familien, Bewohner von Stadtgebieten mit hoher Armut sowie ältere und behinderte Menschen. Die erstgenannte Gruppe macht 2/3 aller Betroffenen aus, die letzte Gruppe ¼ von allen.[3]

Auch die Anfälligkeit für Energiearmut hängt weitgehend von der Region ab. Die Anzahl der Betroffenen Phänomens schwankt in den meisten Woiwodschaften zwischen 6% und 18%. Das Problem der im Vergleich zum verfügbaren Einkommen zu hohen Energiekosten ist besonders in Ostpolen sichtbar, während das Problem der unterhitzten Haushalte - in den westlichen Regionen des Landes - besonders deutlich wird.[1]

Energiearmut mindert nicht nur die Lebensqualität und kann sich nachteilig auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken, sondern trägt auch zum Smog bei, der eines der größten Umweltprobleme in Polen ist, da energiearme Haushalte häufiger alte Öfen und minderwertige Brennstoffe verwenden.

Linderung der Energiearmut

Die Verringerung der Energiearmut erfordert Maßnahmen in drei Schlüsselbereichen:

  • Linderung von Symptomen, wobei die vollständige Beseitigung des Phänomens kurzfristig schwer zu erreichen ist. Dazu gehören Lösungen wie Sozialleistungen und Tarife, die den Druck auf die Haushaltsbudgets verringern, und der Schutz vor Energieausfällen, der den Zugang zu Energie sichert und es ermöglicht, eine plötzliche Verschlechterung der Lebenssituation zu vermeiden.
  • Beseitigung der Ursachen, was der Schlüssel zur Lösung des Problems ist. Dazu gehören Lösungen wie Energieberatungen und die Förderung eines energiesparenden Verhaltens, das Wissen darüber aufbaut, wie Energie richtig und effizient genutzt werden kann, die thermische Nachrüstung von Gebäuden, die sie vor Wärmeverlusten schützt und den Energiebedarf und -verbrauch senkt, sowie andere energiesparende Verbesserungen, wie die Installation von Thermostatventilen an den Heizkörpern, der Austausch von Glühbirnen, der Austausch alter und ineffizienter Geräte.
  • Prävention, die langfristige Maßnahmen umfasst, die gefährdete Haushalte davor bewahren, in Energiearmut zu geraten, wie z.B. die Umsetzung finanzieller Anreize für die thermische Sanierung von Gebäuden (Kofinanzierung, Vorzugsdarlehen, Steuererleichterungen) und der Ausbau des Fernwärmenetzes, der den Zugang zu relativ billiger und sicherer Energie verbessert [4].

Den Kommunen kommt in dieser Angelegenheit eine wichtige Rolle zu, da sie in all diesen drei Bereichen Maßnahmen entweder umsetzen oder einleiten können. Es gibt bereits Beispiele für viele bewährte Praktiken auf lokaler Ebene, wie z.B. die Bereitstellung von Energieberatungsdiensten, die Einführung von Kofinanzierungsprogrammen (z.B. Unterstützung des Ersatzes alter und ineffizienter kohlebetriebener Quellen), die Verteilung kleiner energieeffizienter Geräte (z.B. Glühbirnen) und Bildungskampagnen, die als Inspirationsquelle für andere Städte dienen können, die das Problem der Energiearmut in Angriff nehmen.

[1] https://ec.europa.eu/energy/eu-buildings-factsheets-topics-tree/energy-poverty_en?redir=1; IBS Policy Brief UBÓSTWO ENERGETYCZNE W POLSCE - DIAGNOZA I REKOMENDACJE (de. IBS Policy Brief Energiearmut in Polen - Diagnose und Empfehlung)

[2] IBS Policy Paper Linderung der Energiearmut in Polen - von der Theorie zur Praxis (en. IBS Policy Paper Linderung der Energiearmut in Polen)

[3] IBS Policy Paper JAK OGRANICZYĆ SKALĘ UBÓSTWA ENERGETYCZNEGO W POLSCE (en. IBS Policy Paper How to reduce the scale of energy poverty in Poland)

[4] IBS Policy Paper JAK OGRANICZYĆ SKALĘ UBÓSTWA ENERGETYCZNEGO W POLSCE (en. IBS Policy Paper How to reduce the scale of energy poverty in Poland)